medizinische Ethik

medizinische Ethik
medizinische Ethik,
 
Ethik in der Medizin, Medizinethik, die sittliche Prinzipien und Verhaltensregeln, denen im engeren Sinn ärztliches Handeln Folge leisten soll, wie sie erstmals im »Eid des Hippokrates« (Arztgelöbnis) formuliert worden sind (ärztliche Ethik; manchmal zu medizinischer Ethik synonym verwendet). Im weiteren Sinn unterliegen alle in den Bereich der Medizin und der Gesundheitsfürsorge eingebundenen Beteiligten (Ärzte, Patienten, Pflegepersonal, Krankenhäuser und andere Institutionen, Versicherungsträger, Pharmaindustrie, Gesetzgeber) der Forderung, die Prinzipien einer medizinischen Ethik zu beachten. - Die medizinische Ethik ist Teil der angewandten Ethik. Sie befasst sich mit der Anwendung ethischer Normen, Regeln und Überlegungen auf die Problemfelder medizinischen Handelns. In der Komplexität des Einzelfalls ist medizinische Sachkenntnis allein meist nicht ausreichend für eine adäquate Urteilsbildung und Handlungsentscheidung des Arztes; aus naturwissenschaftlicher Erkenntnis lassen sich keine Normen für das »richtige« Handeln herleiten. Gefordert ist zusätzlich die ethische Reflexion, ausgehend von den Grundaufgaben der Medizin: der Schutz des Lebens sowie die Erhaltung und Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit als Grundlage für eine sinnvolle Daseinsgestaltung. Die Möglichkeiten des Eingriffs ins vorgeburtliche Leben, der Lebensverlängerung, der genetischen Manipulation haben das frühere Selbstverständnis des Arztes, in Analogie zur »Natur« zu handeln, fragwürdig gemacht. Gefordert ist somit eine Reflexion über grundlegende anthropologische Kategorien: die Begriffe »Leben«, »Menschsein«, »personale Identität«, »Krankheit«, »Gesundheit«, »Tod«, »Leib«, »Seele« u. a. Ethische Überlegungen sollen dazu dienen, die Menschenwürde zu wahren, Missbräuchen medizinischer Möglichkeiten vorzubeugen und Schaden an Mensch, Gesellschaft und späteren Generationen zu verhüten.
 
Unterscheiden lassen sich individualethische Überlegungen (z. B. ärztliche Entscheidungen über einen medizinischen Eingriff) und sozialethischen Überlegungen, weil hier gesellschaftliche Gruppen oder der Staat verantwortlich sind für die soziale Dimension dieser Handlungen (z. B. System des Gesundheitswesens, Kostenverteilung, Förderung von medizinischen Forschungsbereichen wie der Krebsforschung).
 
Die Fragestellungen der medizinischen Ethik befassen sich mit dem Anfang, dem Ende und mit Krisensituationen des menschlichen Lebens. Hierzu zählen u. a.: Geburtenkontrolle und Familienplanung, Schwangerschaftsabbruch, Sterilisation, Infertilität (Insemination, In-vitro-Fertilisation, Embryotransfer), Forschung und Therapie an Ungeborenen, genetische Beratung und Gentherapie, Perinatologie; der Umgang mit Sterben und Tod: Sterbebegleitung und Sterbehilfe; in Krisensituationen die Wahl des Behandlungsverfahrens, Organtransplantation, Umgang mit Schwerkranken, Intensivmedizin, psychiatrisch-psychotherapeutische Intervention. Hinzu treten die ethischen und sozialen Fragen der Begleitung von Behinderten, chronisch Kranken, Drogenabhängigen und alten Menschen.
 
Die medizinische Ethik ist in den USA in Klinik, Ausbildung und Politik repräsentiert. Eine vergleichsweise ähnliche Entwicklung unterschiedlicher Intensität hat auch in verschiedenen europäischen Ländern zur Bildung von nationalen und internationalen Zentren für Ethik und Recht in der Medizin sowie von Ethikkommissionen an Fakultäten, in Kliniken und bei den Ärztekammern geführt.
 
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
 
Arzt · Bioethik · Ethik · Ethikkommissionen · Euthanasie · Gentechnologie · Gentherapie · Gesundheit · Glück · Krankheit · Leben · Schmerz · Sterbehilfe · Tierversuche · Tod · Transplantation · Verantwortung
 
 
Encyclopedia of bioethics, hg. v. W. T. Reich, 4 Bde. (New York 1978);
 
Medizin u. Gesellschaft. Eth. Verantwortung u. ärztl. Handeln, hg. v. G. A. Martini (1982);
 
Die Verführung durch das Machbare. Eth. Konflikte in der modernen Medizin u. Biologie, hg. v. P. Koslowski u. a. (1983);
 H. Schipperges: Die Vernunft des Leibes. Gesundheit u. Krankheit im Wandel (1984);
 
Humane Experimente? Genbiologie u. Psychologie, hg. v. H. Lenk (1985);
 F. J. Illhardt: M. E. Ein Arbeitsbuch (1985);
 R. J. Christie u. B. Hoffmaster: Ethical issues in family medicine (New York 1986);
 
Versuche mit Menschen in Medizin, Humanwiss. u. Politik, hg. v. H. Helmchen u. a. (1986);
 
Anfang u. Ende des menschl. Lebens. Medizineth. Probleme, hg. v. O. Marquard u. a. (1987);
 
Eth. Probleme des ärztl. Alltags, hg. v. O. Marquard: u. a. (1988);
 
Medizin. Ethik u. soziale Verantwortung, hg. v. O. Marquard: u. a. (1989);
 J. Knessl: M. E. aus heutiger Sicht (1989);
 
Lex. Medizin - Ethik - Recht, hg. v. A. Eser u. a. (1989);
 
Bioethik: philosophisch-theolog. Beitrag zu einem brisanten Thema, hg. v. R. Löw (1990).

Universal-Lexikon. 2012.

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